KI: Aufrichtigkeit und Offenheit im Umgang mit Christian Schad!

KI: Aufrichtigkeit und Offenheit im Umgang mit Christian Schad!

Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Eröffnung des Christian-Schad-Museums rückt die Frage eines offenen, angemessenen Umgangs mit der Biographie Schads und seiner Haltung zum und im Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Uns liegen zu dieser wichtigen Frage z.Z. keinerlei Informationen seitens der Verwaltung vor. 
Daher stellt die Kommunale Initiative (KI) folgenden Antrag:

„Es ist sicher zu stellen, dass die Öffentlichkeit anlässlich der Eröffnung des Christian Schad Museums am 3. Juni 2022 offen und umfassend über alle Aspekte der Vita des Künstlers unterrichtet wird, wie dies z. B. auch bei der Würdigung der Leistungen des Rathaus-Architekten Diez Brandi und Prof. Hermann Kaspar, dem künstlerischen Gestalter des Rathaus-Sitzungssaals und der Rathaus-Piazetta, geschehen ist. Nichts soll dramatisiert, nichts soll verschwiegen werden. Daher sind auch die durch Fakten, Werke und Selbstzeugnisse hinlänglich dokumentierte Begeisterung Schads für völkische Esoterik sowie seine Strategien zu beleuchten, zwischen 1933 und 1945 künstlerisch erfolgreich zu sein. Grundlage dafür bildet die von Dr. Thomas Richter, dem früheren Chef der Aschaffenburger Museen, verfasste und von der Stadt herausgegebene Biographie („Christian Schad – Bausteine einer Biographie“, Michael Imhof Verlag, 2020). Dabei ist eine vom Autor zwischenzeitlich vorgenommene Korrektur zu berücksichtigen, die auf einer missinterpretierten handschriftlichen Notiz beruht. Ein 1942 in Berlin gehaltener Vortrag zum Thema „Entartete Kunst“ ist dementsprechend nicht Christian Schad zuzuschreiben.“

Eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse Richters:

Anhang zum Antrag betr. CHRISTIAN SCHAD

Nach seinem Eintritt in die NSDAP am 1. Mai 1933 (Mitgliednummer 2645200) und als Mitglied des „Reichsverbandes bildender Künstler Deutschlands Gau Berlin e.V.“ erzielte Schad durch Publikationen sowie durch zahlreiche private und öffentliche Aufträge vielfach Anerkennung und erwirtschaftete ein gutes Auskommen. 1938 war er „…in Anpassung an den offiziellen Kunstbetrieb wirtschaftlich gut situiert“. (Richter). Der Eintritt in die NSDAP wäre als Voraussetzung für eine Arbeit als Künstler nicht erforderlich gewesen. Mindestens 40 Prozent der 1944 ausstellenden deutschen Künstler waren keine Parteimitglieder.

An Ausstellungen wie der „Berliner Kunstausstellung“ von 1934, der „Berliner Kunst“ (1935) des Goebbels-Günstlings Hans Schweitzer oder an der Ausstellung „Lob der Arbeit“ der „NS-Kulturgemeinde“ 1936 nahm Schad teil. Auch beteiligte er sich bis 1942 regelmäßig an den Ausstellungen des Vereins „Berliner Künstler“. 1937 nahm Schad an der von Hitler eröffneten ersten „Großen Deutschen Kunstausstellung“ teil. Reichspropagandaminister Goebbels ließ 1935 bei Schad anfragen, ob der ihm das in der Ausstellung „Berliner Kunst“ gezeigte Bild „Magdalena“ verkaufen wolle. Die Zeitschrift „Deutsche Frauen Zeitung“ oder der „Deutsche Verlag“ veröffentlichten Arbeiten Schads.

Christian Schad war in der Zeit des Nationalsozialismus ein – wenn auch nicht von allen und nicht uneingeschränkt – akzeptierter Künstler. Das von ihm selbst gezeichnete Bild eines in innerer Emigration zurückgezogen unter schwierigen materiellen Bedingungen lebenden und von staatlichen Stellen permanent überwachten Künstlers entspricht nicht den Tatsachen. Richter: „Schad (entzog sich nicht), wie er vorgab, dem NS-Kulturbetrieb, sondern Letzterer zeigte vielmehr ihm die kalte Schulter.“ Richter konstatiert ein „deutliches Bemühen des Künstlers, im offiziellen Kunstgeschehen des Deutschen Reiches den ihm gebührend erscheinenden Platz zu erobern.“

Dass ihm dies gelang, belegt u.a. die Auftragsvergabe des SS-Obersturmbannführers und Aschaffenburger Oberbürgermeisters Wohlgemuth an den Künstler zur Anfertigung einer Kopie des Grünewald-Gemäldes „Maria mit dem Jesusknaben“ (Stuppacher Madonna“) für die Stadt im Jahr 1942. Die Vergütung dafür betrug beachtliche 12.000 Reichsmark. (Zum Vergleich: 1942 betrug der durchschnittliche Jahresverdienst eines Erwerbstätigen 2.310 Reichsmark). Die durch Wohlgemuth veranlasste Prüfung des nationalsozialistischen Leumunds Schads durch die Reichskulturkammer ergab keine Bedenken.

Ein 1942 angeblich erfolgter Ausschluss Schads aus der NSDAP wird häufig als Indiz für seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus gewertet. Diese Einschätzung erweist sich bei genauer Prüfung jedoch als fraglich. Einem Parteiausschluss hätte ein aufwändiges Verfahren vorangehen müssen. Dafür gibt es jedoch in den Unterlagen des NSDAP-Gaus Berlin keinen Beleg. Vielmehr ist zu vermuten, dass die Mitgliedschaft Schads als Folge der Nichtbezahlung der Parteibeiträge gewissermaßen „automatisch“ erlosch. Einen Hinweis in diese Richtung gibt Schads Einlassung in seinem Spruchkammer-Verfahren nach dem Krieg: „Ich habe versucht, mich weitgehend vom Zahlen zu drücken…“, worin er einen Beleg für seinen passiven Widerstand gegen das Regime erkennen wollte. In seinem Spruchkammer-Verfahren legte Schad keinen Beleg für einen Parteiausschluss- oder Austritt vor.

Zusammenfassend gelangt Richter bezüglich der autobiographischen Selbstzeugnisse Christian Schads zu folgender Bewertung:

Die über Jahrzehnte wieder und wieder redigierten, mit Blick auf die Nachwelt formulierten biographischen Konstruktionen des Künstlers schweigen sich über seinetatsächlichen Strategien in der NS-Zeit aus.“

FAZIT:

Christian Schads Leben und seine Kunst sollten frei von Mythen und Legenden mit allen Widersprüchen präsentiert werden. Das gilt auch und gerade für die Zeit des Nationalsozialismus. Dabei sind Aufrichtigkeit und Offenheit unabdingbar. Für biographische Konstruktionen, die wichtige Teile der Wahrheit ausblenden, darf es keinen Raum geben. Es kann so wenig um die Errichtung eines „Denkmals“ gehen wie um die Erfindung einer „Lichtgestalt.“

Das würde weder dem Menschen noch dem Künstler und seiner Kunst gerecht. Im Übrigen kann Kunst kann nur nach künstlerischen, nicht nach moralischen Maßstäben beurteilt werden.

Frank Sommer, Mai 2022 – für die Kommunale Initiative

ki-ab

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